Flotte Flitzer - postfossil mobil
Der Verkehrsforscher und Erfinder Hans Boës beschäftigt sich seit Ende der 80er Jahre mit der Frage, wie Mobilität ohne fossile Brennstoffe funktionieren kann. Seine Roller sind eine wendige Alternative zum Fahrrad.
Verkehr in der Großstadt, das bedeutet viele PKW, die in der Regel nur einen Menschen transportieren - den oder die FahrerIn selbst. Mindestens 1 Tonne Blech, um eine Person von durchschnittlich 76 kg zum Zielort zu bringen. Auf einer Fahrt von acht Kilometern in einem neuen Kleinwagen kommt es dabei bereits zu einem CO2-Ausstoß von rund einem Kilogramm; ältere und große KFZ übersteigen diese Werte um ein Vielfaches. Irre Relationen. Noch viel irrer, dass all das schon lange bekannt ist, und immer noch eine stetig wachsende Menge an Menschen auf das Auto als Fortbewegungsmittel setzt.
Lange lag der Schwerpunkt der Verkehrsforschung darauf, Infrastrukturen für eine steigende Anzahl an KFZ zu entwickeln. Straßenplanung ist auf die Bedürfnisse motorisierter Fahrzeuge ausgerichtet, Fußgänger- und Radfahrer*innen sind in zweiter Reihe unterwegs. Erst seit Ende der 80er sickert langsam die Einsicht durch, dass nur ökologisch orientierte Mobilitätskonzepte zukunftsfähig sind. Die Einrichtung von Fahrradstraßen, auf denen Radfahrer*innen Vorfahrt haben, oder Förderprogramme wie Kurze Wege für den Klimaschutz, bei dem sich auch einige Offene Werkstätten beteiligen konnten, zeugen allerdings von einem schrittweisen Umdenken.
Hans Boës engagiert sich als Mobilitätsforscher und Erfinder seit über dreißig Jahren für diesen Bewusstseinswandel. Mit Geburt seiner ersten Tochter wurde die Erkenntnis, dass die Menschheit mit „Vollgas in die Katastrophe“ fährt, sein wichtigster Antrieb. Zunächst am Sekretariat für Zukunftsforschung in Gelsenkirchen, später als Betreiber der „DenkBar“ im Haus der Demokratie in Berlin-Mitte sowie jetzt als selbständiger Ingenieur widmete er sich der Frage, wie postfossile Mobilität aussehen kann. Für ihn steht schon lange fest, dass die Zukunft des Verkehrs in der kombinierten Nutzung aus Öffentlichem Nahverkehr und muskelbetriebenem Fortbewegungsmittel liegt.
Der Flyer von Hans' erster Anti-Auto-Demo - 1987
U-Bahn und Fahrrad, diese Kombi nutzen vor allem in urbanen Gebieten mittlerweile viele Menschen. Hans setzt allerdings nicht auf den altbewährten Drahtesel, sondern den Roller. Neben seiner Arbeit als Ingenieur hat er sich der Entwicklung verkehrstauglicher Modelle verschrieben. Leichter und handlicher als ein Rad, kann ein Roller zusammengeklappt in den Rucksack wandern, sobald er nicht mehr benötigt wird. Weil er sich schneller antritt als ein Gas- oder Fahrradpedal, kommt man an der Ampel als erste/r los.
Etliche Versionen hat Hans inzwischen entworfen: reine Tretroller und solche, die über einen Akku zusätzlichen Antrieb erhalten; klappbare Modelle und größere „Straßenkreuzer“, die schon eher an ein Moped erinnern; aus einem Schrottrad und einem alten Skateboard hat er ein Upcycling-Modell gezaubert;
in Zusammenarbeit mit Stefan Schepers von Akkubike ist ein Solar-Panel entstanden, das aus einem herkömmlichen Tretroller einen flotten Solar-Scooter macht.
Die Straßentauglichkeit der Roller ist gut erprobt. Auf dem motorisierten Kick-E ist Hans sogar schon durch die Schweiz gereist, mit einer weiteren Passagierin und Gepäck. Kompliziert war allerdings die rechtliche Ausgangssituation, denn herkömmliche (Kinder-)Roller sind der Definition nach Sportgeräte, mit denen man nur auf dem Gehsteig fahren darf. Nach intensiver Auseinandersetzung mit juristischen Spitzfindigkeiten steht inzwischen fest: Ein moderner Roller ist vergleichbar mit einem Fahrrad – denn als solches gilt, was der/die Fahrer*in mit der eigenen Muskelkraft antreibt. Dementsprechend sind Elektro-Scooter als Pedelecs einzustufen, da der Motoreneinsatz an die Tretbewegung gekoppelt ist. Auf der Straße darf die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h nicht überschritten werden, technisch möglich wären bis zu 50 km/h.
Die Geburtsstätte der meisten Roller war, wie könnte es anders sein, - eine Offene Werkstatt: In den letzten Jahren hat Hans seine Modelle im Radcontainer getestet und gebaut, den 2wheels4change seit 2011 im Berliner Prinzessinengarten betreiben. Für ihn liegt die Zukunft des urbanen Verkehrs auf zwei Rädern – Roller-Rädern. Den Kick-E will er bald in Serie produzieren, derzeit sammelt er noch die nötigen 100 Vorbestellungen. Wer Interesse daran hat, kann sich bei Hans melden – und wer Lust verspürt, selbst einen Roller zu bauen oder seinem alten ein Solar-Upgrade zu verpassen, findet auf Hans‘ Seiten jede Menge Inspiration, z.B. den Skateroller oder die Solar-Verkleidung (ganz unten).