Made in Marzahn – Eine Logik

09. Mai 2019 | von Thomas | Berlin
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Wir nutzen ein Multitool, welches Laserschneider, 3D Drucker, CNC Fräse in sich vereinigt. Mit dem Gerät kommt eine Software, die geeignete Dateien in für das Gerät lesbare Sprache umwandelt. Der Wechsel der Werkzeugköpfe ( Laserschneiden, 3D Druck, Fräse) am Gerät ist komfortabel.

Es bieten sich nun für den aufmerksamen Menschen Möglichkeiten, Objekte zu erzeugen, welche für andere Menschen eine Rolle spielen, oder spielen können. Dinge die anregen, nachzuforschen über die Beschaffenheit des Objektes, den Werdungsprozess vom Immateriellen ins Materielle, von Computerdesigns in physische Objekte. Der Prozess selbst des Druckens, des Fräsens bietet Zeit, über die gemeinsame Beziehung, das Leben und die Fragen, die es aufwirft, zu reden. Vielleicht ist die Maschine ein einmaliges Medium zum kennen lernen, vielleicht ergibt sich etwas Längerfristiges daraus, in Form eines gemeinsamen Projektes, einer Einkommensquelle, einer Ausbildung in 3D Modellierung oder einer Verbesserung von Beziehungen im eigenen Leben. Grundsätzlich liegt in der Auseinandersetzung mit so etwas “Neuem” die Chance, Anerkennung für neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu bekommen. Besonders wenn diese helfen, Dinge, die gebraucht werden, herzustellen und zu reparieren.

Das erste Mal, dass ich diesen Gedanken angewandt habe, war mit Punit. Er ist ein junger Mann aus Indien, der uns aufsuchte, weil er von verschiedenen Behördensorgen bedrängt wird. Gemeinsam wühlen wir uns durch die Dinge, die sich aufgetürmt haben, kochen, lachen und schreiben Briefe (ans Amt). Für ihn habe ich das Taj Mahal gedruckt.

Ich selbst habe das Taj Mahal mehrmals besucht, habe eine besondere Beziehung zu dem Bauwerk. Den Menschen Punit im Geiste suchte ich die einschlägigen Plattformen für freie 3D Designs auf und wurde schnell fündig. Der Ausdruck machte mich froh. Bisher habe ich ihm das Foto zeigen können und ihm gesagt, er solle sich das Modell bei uns abholen. Meine Idee ist, diese Technik dazu zu nutzen, Artefakte zu erstellen, die Bedeutung haben, auch wenn sie auf den ersten Blick oft wie Tünnef erscheinen. Grundsätzlich kann jedes Objekt aufgeladen sein mit positiver Energie, übergeben werden mit einem “ ich glaub an Dich, Du kriegst das hin”. Steht es dann auf dem Nachttisch, so kann es in leichten wie in ernsten Zeiten eine Erinnerung sein, dass es Menschen gibt, die an einen glauben, dass es Orte gibt, an denen eine gute Atmosphäre herrscht und an denen Neues gelernt werden kann.

Wie man in diesem Film sehen kann, wird ein völlig albernes Herz in Verbindung mit einer Pyramide gedruckt. In Lila. Die Idee entstand mit Tilmann, einem Mitarbeiter von Gangway. Ich zeigte ihm, wie simpel und einfach man von Idee zu fertigem Druck kommen kann, in 20 Minuten. Ein einfaches, für jedermann zugängliches Modellierungsprogramm stellt Formen und Strukturen bereit, welche nach Belieben verändert und geformt werden können. Export der Datei und Vorbereitung für den Drucker dauern weniger als eine Minute, wobei die Größe des Objektes nur von den Massen des Druckers eingegrenzt wird.

Natürlich gibt es jedes erdenkliche Detail in Modellierungsprogrammen dieser Art, so dass auch aufwendigste Vorlagen erstellt und damit den Ansprüchen einer komplexen Realtität gerecht werden können. Mit nichts anderem arbeiten Ingenieure, Schlosser, Bastler.

Einen anderen Schritt ging ich, als ich vor Kurzem in den Marzahner “Sportjugendclub” (“Sporti”) mit dem Gerät gefahren bin. Dies ist ein Treffpunkt von hauptsächlich migrantischen Jugendlichen und Marzahner Mädchen. Von hier aus und auch hier vor Ort kommt es oft zu Zwischenfällen, Schlägereien und so weiter. Der Club ist auch durch seine Nähe zum Einkaufszentrum Eastgate eine Attraktion. Hier sorgte ich durch das Auftauchen von etwas Neuem für zumindest eine Mini Attraktion. Sofort sammelten sich mehrere Jungs um das Gerät. Designs wurden ausgesucht und vorbereitet, Verabredungen betreff der Druckreihenfolge getroffen, ein junger Mann richtete einen Hotspot ein, weil mein Datenvolumen aufgebraucht war. Viele Dynamiken wurden sichtbar: wer interessiert sich für was, wer hilft mit, wer darf/traut sich nicht an das Gerät heran. Während des Druckes entpannen sich Gespräche über weitere Freizeitaktivitäten, Fragen zu Ausbildung und so weiter.

Es sind also drei verschiedene Situationen, die grundsätzlich vorstellbar sind:

  • ein fertiges Objekt, welches aus der vorangegangenen Kommunikation enstehen kann, wird in die Beziehung gebracht,
  • der Prozess der Fertigung, das ursächliche Werkzeug, wird in die Beziehung gebracht,
  • der Nutzungsprozess (beginnend beim Design) von Objekten (Kunst, Werkzeuge, Gebrauchsgegenstände) selbst wird in die Beziehung gebracht.

Die letzte Situation ist natürlich am reichhaltigsten und lernintensivsten, am kreativsten. Hierfür wird realistischerweise eine Werkstatt benötigt, welche die einzelnen Geräte in größerer Form bereithält.

Digitale Fabrikation bietet für die soziale Arbeit eine Fülle neuer Möglichkeiten des Beziehungsaufbaus, des Begleitens sozialer Strukturen, des Lernens, des Miteinanders, des Ausdruckes und einer Erhöhung von Freiheit. Im Grunde handelt es sich um einen neuen Vibe, eine neue Schwingung, zu der sich jeder verbinden kann. Dies in das Leben junger Menschen zu bringen, ist Zweck dieses Projektes.

Zentral sind dabei Menschen, die sich klar über sich und die Möglichkeiten der modernen Welt sind. So wie nicht alle Menschen in Marzahn Nazis sind, ist nicht alle Technik entfremdend und verdummend. Es kommt eben immer darauf an, mit welcher Haltung man auf die Welt zugeht, wieviel Spass man selbst dabei haben will, was man selbst dabei lernen will.

Weitere Teile der Logik folgen auf diesem Blog und auf dem Instagram Channel vom Team Marzahn und von Gangway.


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