Rückblick: Das Global Innovation Gathering auf der re:publica 2017
Seit 2013 gehört das Global Innovation Gathering zum festen Bestandteil der re:publica. Es bietet Maker-, Hacker- und Gründer*innen aus der ganzen Welt eine Plattform zum Austausch von Ideen und Wissen, zum gegenseitigen Kennenlernen und Vernetzen. Inzwischen ist eine Community entstanden, die von Jahr zu Jahr wächst. Wie schon 2016 hat das FabLab Berlin das GIG mitgestaltet. Wir haben Daniel Heltzel vom FabLab einige Fragen dazu gestellt.
Seit wann engagierst Du Dich im FabLab Berlin? Seit wann für das GIG?
Ich engagiere mich seit mehr als einem Jahr im Fab Lab Berlin. Auch das GIG habe ich im letzten Jahr kennengelernt, und zwar auf der re:publica.
Hattest Du bereits die Möglichkeit, Partner*innen aus dem Netzwerk des GIG zu besuchen?
Bislang hatte ich dazu leider noch keine Gelegenheit. Im letzten Jahr hatten wir aber einige GIG-Mitglieder aus Irak zu Gast im Fab Lab Berlin. Was mich damals beeindruckte und sich in diesem Jahr auf der re:publica wieder bestätigte, ist das Gefühl einer unmittelbaren Solidarität zwischen den Mitgliedern des Netzwerkes. Das ist einfach eine sehr gute Grundlage für technologieintensive, aber oft auch sehr kurzzeitige Aktionen bzw. Workshops. Sie funktionieren nur, wenn man nicht bei Null starten muss, sondern ein gutes Vertrauensverhältnis und ein Interesse an der Arbeit der Anderen hat.
Gefördert wird das GIG unter anderem von der GIZ, deren Vorläufer der Deutsche Entwicklungsdienst ist. Beim GIG geht es aber nicht um klassische „Entwicklungshilfe“, sondern um die Förderung eines globalen Austauschs von Wissen und Innovationen. Worin siehst Du das besondere Potenzial des GIG?
Ich sehe zwei wichtige Potentiale des GIG: Erstens, Augenhöhe in puncto Wissen. Ein großes Thema in der Entwicklungshilfe ist ja das Problem der Akteurkonstellationen; zwischen den Partnern sollte möglichst kein Gefälle sein, wie auch immer man das definiert und wahrnimmt. Das ist in diesem Netzwerk in meinen Augen der Fall, denn jedes Mitglied bringt wirklich eigene Innovations-Expertise ein. Zweitens: Quality Time. Klingt vielleicht ein bisschen banal, ist aber wirklich wichtig. Zeit für Spaß usw. ist eine gute Grundlage für Zusammenarbeit.
Maker in Europa, den USA, auch in weiten Teilen Asiens haben guten Zugang zu Ressourcen. Bei ihnen geht es meist nicht darum, die Grundversorgung mit Dingen des Alltags oder das Überleben generell zu sichern/erleichtern. Was kann der reiche Norden/Westen von Makern aus anderen Gebieten der Welt, in denen die Menschen unter schwierigeren Bedingungen leben, lernen?
Das ist wirklich ein wichtiger Punkt! Um die Frage aus Fab Lab-Perspektive zu beantworten: Im globalen Vergleich existieren die meisten Fab Labs noch in den wohlhabenderen Teilen der Erde; dort, wo sie Nutzern helfen könnten, existenzielle Probleme zu lösen, findet man sie seltener, auch wenn sich das langsam ändert. Die oft nur rudimentäre Ausstattung von Labs des Globalen Südens kann man im Sinne deiner Frage natürlich auch positiv interpretieren: Erstens stellt sie höhere Anforderungen an die Kreativität und den Pragmatismus der Nutzer. Zweitens kann ich mir vorstellen, dass weniger Artefakte produziert werden, weil der Weg zum Produkt oft mühsamer ist. Denn die immer besseren Schnittstellen der immer neuen Maschinen der moderneren Fab Labs können zu Fertigung von Dingen verleiten, die eigentlich niemand braucht. Das ist dann oft ein netter Zeitvertreib, aber ökologisch nicht nachhaltig, je nach Materialwahl. Ich vermute, dass man sich unter erschwerten Bedingungen eher auf Produkte konzentriert, die tatsächliche Probleme lösen. Für mich besteht darin der große Wert von Fab Labs.
Ein Schwerpunkt des GIG auf der re:publica 2017 war Open Health. Was kann das für Menschen in Ländern mit einer schlechten medizinischen Grundversorgung bedeuten? Welche Beispiele wurden präsentiert?
Mich hat diese Schwerpunktsetzung echt gefreut. Wir haben einige spannende Ansätze gesehen, zum Beispiel den von Nawres Arif, Gründer des Science Camp Basra in Irak, vorgestellten fortgeschrittenen Prototypen einer hoch komplexen Robotik-Hand. In Ländern mit schlechter medizinischer Grundversorgung können Maker-Technologien helfen, andernfalls unerschwingliche Medizintechnikprodukte zu fertigen. Bei komplexen Produkten wie mit Sensorik ausgestatteten Prothesen ist das in vielen Fällen noch ein Versprechen, aber einfache Produkte werden schon jetzt in großen Mengen hergestellt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Fertigung von den oft extrem teuren, weil seltenen Ersatzteilen für Medizintechnik in Krankenhäusern und Arztpraxen.
Das FabLab Berlin ist am Ottobock Innovation Space beteiligt, Ottobock ist ein führender Hersteller für Medizintechnik und Prothesen. Gibt es kollaborative Open Health Projekte oder Kooperationen mit Ottobock?
Ja, Ottobock bringt sich in eine ganze Reihe von Open Health-Projekten von uns ein, unter anderem in das auf der re:publica vorgestellte Projekt “Made 4 my Wheelchair”. Natürlich profitieren Open Health-Projekte enorm davon, wenn die Expertise eines High-End-Herstellers einfließt. Das hebt die Entwicklungen auf ein neues technisches Level.
Danke, Daniel, für diesen spannenden Einblick!