Demokratie Selbermachen
Seit Jahresbeginn berät und vernetzt die anstiftung rund um ein neues Format gesellschaftlicher Mitgestaltung: das Demokratiecafé. Was darunter zu verstehen ist, erklärt uns im Interview Robert Jende, der das Konzept zusammen mit Gerald Beck in den letzten Jahren an der Hochschule München entwickelt hat. Er ist Soziologe und widmet sich in diesem Jahr dem Aufbau eines Netzwerks aus Demokratiecafés, die er als Ergänzung und Erweiterung unserer bestehenden Demokratie begreift. Der Fokus seiner Forschungstätigkeit liegt auf performativer Soziologie, die Gesellschaft nicht nur begreifen, sondern auch gestalten will.
Was ist ein Demokratiecafé?
Robert Jende: Ein Demokratiecafé ist zu allererst ein Veranstaltungsformat, das an unterschiedlichen Orten stattfinden kann, die bereits belebt sind. Zum Beispiel Stadtbibliotheken, Kulturzentren, Nachbarschaftstreffs. Dort treffen sich einmal im Monat Menschen und tauschen sich gemeinsam darüber aus, welche Anliegen sie für das Zusammenleben im Viertel haben, für das, was so vor ihrer Haustür abgeht. Und sie überlegen, welche dieser Anliegen zu konkreten Anstößen und Projekten vor Ort führen – und wie diese auf den Weg gebracht werden können. Es gibt im Demokratiecafé – deshalb der Name – in der Regel Kaffee und Kuchen, am Abend auch mal ein herzhaftes Buffet. Denn so ein Demokratiecafé dauert rund vier Stunden, Verpflegung gehört dazu. Es soll zudem ein kommerzfreier Raum sein, Essen und Trinken kostet nichts, die Versorgung ist über Spenden oder ein Mitbringbuffet organisiert. Das Demokratiecafé ist moderiert und methodisch geleitet, damit ein intensiver Austausch passiert, aus dem gemeinsame Vorhaben entwickelt werden können. Gleichzeitig soll es aber ein leistungsfreier Raum sein - es kommt nicht darauf an, dass zwingend Projekte entstehen oder Anträge gestellt werden. Primär trifft man sich und tauscht sich aus.
Wo fanden bereits Demokratiecafés statt, und was ist dort passiert?
Robert Jende: Das allererste Demokratiecafé gab es im Mai 2019 in einer kulturellen Zwischennutzung in München-Laim. In einem alten Gewerbehaus, das abgerissen werden sollte, gastierten für mehrere Monate Künstler*innen und Kunstprojekte. Durch meine performance-affine Soziologie bin ich dort dazugestoßen, denn mich beschäftigt die Frage, wie wird Gesellschaft in so einem Freiraum neu verhandelt.
Es lag nahe, dort ein erstes Demokratiecafé zu veranstalten, das erstmal mehr ein Experiment oder eine Kunst-Aktion war, ohne Blick auf den Ausgang oder Ergebnisse. Im Zwischennutzungsprojekt traf ich auf eine Gruppe von Menschen, die gerade begonnen hatten, Beteiligungsstrategien der Landeshauptstadt München zivilgesellschaftlich zu begleiten. Beteiligung war dann auch das Überthema für das erste Demokratiecafé. Auf der Veranstaltung hat sich eine Gruppe Menschen formiert, das Thema Beteiligung in Kooperation mit der Stadt weiter voranzubringen – und das bis heute tut, es gab immer wieder Treffen im Rathaus, zwischen Bürger*innen und Verwaltung besteht regelmäßiger Kontakt.
Weitere Demokratiecafés fanden in München dann noch in der Volkshochschule, im Selbsthilfezentrum, im Kulturzentrum Luise, beim Munich Action Festival, auf der Klimadult und auf der Sommerstraße Westendkiez statt. Es entstanden Ideen für einen Blindenparkour, eine Offene Werkstatt im Schlachthofviertel und viele anregende Gespräche. Während der Pandemielockdowns organisierte die Luise eine Onlinevariante des Demokratiecafés – dort entwickelten Sigrid und Tom gemeinsam die Aktion „Wie geht es dir?“: Sie schrieben die Frage auf Pappschilder und positionierten sich damit im öffentlichen Raum – was spannende Begegnungen ermöglicht hat.
Das Interview geht weiter. Drüben bei der anstiftung ...weiterlesen!
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